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INTERNET ACCESS AG (Aug. 99)

Kein Sommerloch in Sicht

Als die Internet Access AG 1995 ihren Betrieb aufnahm, gehörte sie zu den Providern der ersten Stunde. «Wie eine Lawine» beschreibt die Mitgründerin und Geschäftsführerin Catherine Rudolf den Kundenzulauf, der damals einsetzte. Der anhaltende Erfolg spornt an: Tempo und totaler Einsatz prägen die Arbeitsatmosphäre im Pionierunternehmen.

Von Margrit Stucki

Die Backsteinfabrik im Zürcher Industriegebiet, in der die Internet Access untergebracht ist, gleicht einem Bienenhaus. Drinnen surren unzählige Computer, die Arbeitsplätze reihen sich dicht aneinander. Junge Leute – das Durchschnittsalter beträgt 28 Jahre – sitzen konzentriert vor den Monitoren und scheinen ihre Umwelt kaum wahrzunehmen. Trendig aussehende Menschen gehen ein und aus, treffen sich zum Schwatz, fahren mit Rollbrett, Velo oder Sportwagen davon.
«Es ist lässig, hier zu arbeiten», schwärmt die 30-jährige Büroangestellte Monika Gerth-Pinto auf dem Firmenrundgang. Munter führt sie durch die Fabrikhallen, zeigt «Himmel» (Essraum unter dem Dach) und «Hölle» (Materiallager im Keller) ihrer Arbeitgeberin. In den Grossraumbüros, wo jede Ecke genutzt wird, ist alles im Fluss. «Ce n’est que le provisoir qui reste» – nirgends sonst scheint der französische Spruch besser zu passen als hier.

Eine souveräne Pionierin
«Wir können draussen sitzen», stellt Catherine Rudolf erleichtert fest, als sie auf die Terrasse, eine umfunktionierte Laderampe, bittet. Sie habe den ganzen Tag Sitzungen gehabt und freue sich darauf, etwas zu plaudern. Die grosse, schlanke Frau wirkt so locker, als hätte sie nie etwas anderes getan, als Journalistinnen zu empfangen. Unweigerlich fragt man sich, wie sie so cool bleiben kann in einem Business, das sich fast stündlich verändert.
Aufgeregtes Gebell tönt aus ihrem Büro. Der junge Schäferhund Leon sei der Einzige, der sie von der Arbeit weglocken könne, verrät die Access-Chefin. Ausser ihm habe sie keine «Hobbies» über die Firmengründung hinweggerettet. Catherine Rudolf spielt damit auf die Zeit vor vier Jahren an, als sie zusammen mit ihrem Mann Matthias Aebi und einem Kollegen – beide selbständige Informatiker – die Internet Access gründete.

Am Anfang war eine Vision …
Zwar gab es damals mit Eunet, Switch und Ping bereits erste Provider in der Schweiz. Doch als sich das Trio nach einem Internet-Anschluss für seine Bürogemeinschaft erkundigte, entpuppte sich die Installation bei allen Providern als komplizerte und teure Sache. Von kundenfreundlichem Service keine Spur. «Das können wir besser», sagten sich die beiden Informatiker. Die Marketingplanerin Catherine Rudolf ermunterte dazu, die Idee in die Tat umzusetzen und gemeinsam ein Angebot zu entwickeln, bei dem auch Herr und Frau Normalverbraucher zu einem günstigen und leichten Einstieg ins Internet kommen. Gesagt, getan: Im Mai 1995 stieg die Internet Access AG (INA) ins Web-Business ein mit einem Startkapital von 183 000 Franken – «zu 100 Prozent eigenfinanziert», wie Catherine Rudolf stolz betont.
Die drei Idealisten arbeiteten in der Wohnung des Ehepaars Rudolf und Aebi fast Tag und Nacht. Von Beginn weg wurden sie von Anfragen überschwemmt: Aus den ursprünglich erwarteten zehn neuen Kunden pro Monat wurden innert Kürze vierzig täglich. Freunde und Bekannte liessen sich von der Begeisterung der Jungunternehmer anstecken – und oft auch von ihnen anstellen. Als der steigende Platzbedarf das Schlafzimmer zu erfassen drohte, zügelten sie in das alte Fabrikgebäude einer ehemaligen Grossbäckerei.

… mit Folgen
Dort entwickelte sich das Unternehmen in rasantem Tempo weiter: «Der Erfolg war unser Motor, vom Initialschwung profitieren wir immer noch», erzählt Catherine Rudolf. Laufend verbesserten sie ihre Leistungen, bauten die technische Infrastruktur aus und stellten neue Leute ein. Das Erfolgsrezept hört sich an wie aus dem Marketing-Lehrbuch: «Wir brachten das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zum richtigen Preis». Ein Quentchen Glück spielte auch noch mit.
Der Rest ist beinharte Arbeit – auf 12 bis 14 Stunden pro Tag bringt es die Geschäftsführerin, ihr Mann auf «einiges mehr». Matthias Aebi arbeitet so viel, dass er sich einen Spezial-Bürostuhl anfertigen liess um seinen Rücken zu schonen. Jedenfalls ist das Ehepaar froh um die gemeinsame Firma. «Hier sehen wir uns wenigstens ab und zu. Ich wüsste nicht, wo ich sonst jemanden kennenlernen sollte – in den Ferien langweile ich mich, für Smalltalk und Flirts bin ich mich nicht mehr zu haben», scherzt Catherine Rudolf. Die beiden ergänzen sich optimal: Aebi verfügt über ein grosses technisches Know-how und hat eine Nase für Trends; Rudolf versteht es, die kreativen Tüfteleien in marktfähige Produkte umzuwandeln.

Die Mitarbeiter stimmten ab
Mitte 1998 beschäftigte die INA 60 Leute, bediente an die 40'000 Kunden im Dial-up-Bereich (Internet-Zugang) und bot Dienste im Web Publishing und in der Schulung an. Trotz allem waren sie zu klein, um als Unabhängige überleben zu können, fand das Gründerpaar. Die Marktöffnung der Swisscom drückte auf die Preise und trieb die grossen Telekommunikations-Anbieter dazu, den Markt nach Allianzen im Internet-Geschäft zu durchforsten. Als eine der renommiertesten und innovativsten Firmen der Branche wurde die INA von mehreren Käufern umworben. Zwei davon kamen nach intensiven Verhandlungen in die engere Auswahl. Die Qual der Wahl überliess das Inhaberpaar schliesslich dem Personal. Es stimmte für Diax. Im November 98 wurde die Übernahme besiegelt.
Nicht nur das Geld habe dabei gelockt (über die Verkaufssumme wurde Stillschweigen vereinbart), sondern auch die Möglichkeit, attraktive Dienste – etwa das Glasfaserkabelnetz der Diax – gemeinsam zu nutzen, und die Aussicht, sich definitiv als grösster Full Service Provider der Schweiz zu etablieren. Ausschlaggebend sei aber vor allem gewesen, dass die Internet Access ihre Selbständigkeit und Unternehmenskultur auch nach der Übernahme bewahren könne, beteuert Catherine Rudolf.

Kein Ende des Wachstums
Die Allianz mit Diax löste einen weiteren Expansionsschub aus. Mittlerweile beschäftigt die INA 125 Personen, darunter sechs Lehrlinge. Zwanzig offene Stellen warten auf ihre Besetzung.
Trotz der angenehmen Zusammenarbeit erweist sich die Grösse des Telekommunikationsriesen als Nachteil: Bei Projekten stürzen sich bisweilen zehn Diax- auf einen INA-Mitarbeiter. «Unsere Belastbarkeit wird ausgereizt. Wenn der Markt genügend Fachkräfte her gäbe, würden wir noch viel mehr Leute anstellen», versichert die Geschäftsführerin und tönt fast schon verzweifelt, als sie hinzufügt: «Wir sind ständig am Wachsen und tun alles, um Leute zu kriegen – auch aus dem KV-Bereich».
Obwohl sie ihre Angestellten nicht mehr alle beim Namen kennt, sehnt sie sich nicht nach den Zeiten zurück, als es in der INA noch familiärer zu und her ging. «Ich bin es gewohnt, vorwärts zu blicken», erklärt die optimistische Diplomatentochter, die schon früh gelernt hat, sich immer wieder in einem neuen Umfeld zu orientieren. Bringt wenigstens der Sommer eine Verschnaufpause? «Nein, wir hatten noch nie ein Sommerloch, unser Geschäft kennt keine saisonalen Schwankungen.»