Porträt Emil Zopfi (Juni 2007)
25 Jahre lang hat der Ingenieur, Schriftsteller und Klettersportler an der EB Zürich unterrichtet. Von Informatik-Grundlagen über Desktop Publishing bis Kreatives Schreiben. Jetzt geht Emil Zopfi als Berufsschullehrer in Pension.
Von Margrit Stucki

«Es wird noch idyllischer», verspricht Chauffeur Emil Zopfi auf der Fahrt von Mühlehorn nach Obstalden. Tatsächlich erfreuen schmucke Holzhäuser, blühende Gärten und bizarre Bergkulissen das Besucherauge. Mit dem Kauf des grossen Hauses im Glarner Dorf erfüllte sich das Ehepaar Zopfi einen lang gehegten Traum: Raus aus der engen Zürcher Stadtwohnung, rein in den ehemaligen Stickereibetrieb mit eigenen Räumen für Kurse. Für den gebürtigen Glarner «war Obstalden im Prinzip Niemandsland. Ich habe das geräumige Doppelhaus gekauft, nicht die Gegend übrigens gegen den Widerstand der Kinder». Konnten sich Claudio (34) und Susanna (32) damals kaum für das Dorfleben begeistern, sind sie heute längst «über dem Berg». Christa und Emil Zopfi beherbergten derweil Hunderte von Kursteilnehmenden seit 18 Jahren ist die Anziehungskraft ihrer mehrtägigen Schreibwerkstatt ungebrochen.
Aktiver Unruhestand. Die staatliche Pensionierung ändert wenig im Leben des freischaffenden Literaten: «Ich darf keine Kurse mehr an der EB Zürich geben und erhalte eine Mini-Rente vom Kanton». Niemals will er ein «Reisli-Rentner» werden, «ich reise nicht, ich gehe an einen bestimmten Ort».
Der Erwachsenenbildung, einem wichtigen und geliebten Standbein seit vielen Jahren, bleibt Emil Zopfi treu. Denn schon vor seiner Berufung an die «EB Wolfbach» hatte der ehemalige Systemingenieur bei Siemens und IBM erkannt: «Bildung ist eine langfristige und wirksame Investition.» Seit über einem Vierteljahrhundert unterrichtet er nun Erwachsene. Zuerst in Computer-Einführungskursen, dann in Sprachseminaren, immer mit gesellschaftskritischem Hintergrund. Für den engagierten Gewerkschafter ist Lernen gleich Arbeiten, das ernst genommen und bezahlt werden muss.
Aus eigener Kraft. Zopfi lehrt und lernt am liebsten projektbezogen und mit Leuten, die aus eigenem Antrieb agieren. Erfolgreiches Lernen heisst für ihn: «Probieren und tüfteln können. Ein sinnvolles Produkt kreieren, welches nicht an überhöhten Ansprüchen gemessen wird.» Nach diesem Credo rief Emil Zopfi zahlreiche Lernveranstaltungen ins Leben. An der EB Zürich baute er unter anderem die Informatik-Grundlagenkurse auf, gab den Anstoss für DesktopPublishing-Unterricht, lancierte die erste Hauszeitung (Motto: «Lernende machen eine Zeitung») sowie das Online-Magazin «wandeln» und entwickelte den Journalismus-Lehrgang für nebenamtlich Schreibende. Besondere Freude bereitete ihm zudem, «dass wir die EB-Werbung immer selber gemacht haben. Da entstanden schöne Sachen.»
So viel Schaffensdrang lässt einen erfolgreichen Berufseinstieg vermuten. Doch der junge, wissbegierige Emil fand nach der Sekundarschule keine Lehrstelle. «Das war ein schlimmes Jahr», erinnert sich der selbst deklarierte Einzelgänger, «ich fühlte mich abgeschnitten von allem, war neidisch auf die gleichaltrigen Gymi-Schüler.» Immerhin lernte er damals zu kämpfen und zu schuften zum Beispiel als Laufbursche bei der Zellweger AG, wo er später eine Lehre absolvierte. Die Erfahrungen aus dieser Zeit prägten den vielseitig Begabten nachhaltig. Beharrlich gestaltete er fortan seinen Berufsweg nach den eigenen Überzeugungen und entwickelte sich so vom Elektrotechniker über den Programmierer und Systemingenieur zum Schriftsteller und Erwachsenenbildner.
Auf die Sprache gekommen. Scheinbare Brüche säumen den Lebenslauf des schreibenden Arbeiters. Für Emil Zopfi sind die Richtungsänderungen logische Folge, beziehungsweise Voraussetzung für den nächsten Schritt. Als Schlüsselerlebnis bezeichnet er etwa die Begegnung mit einem alten Korbmacher in Kalabrien: «Er hat mich nicht nur das Korben gelehrt sondern auch, worauf es beim Arbeiten ankommt. Ein Korb macht Freude, hält ewig und ist ein sinnvolles Produkt. Für seine Herstellung braucht es keinen Computer.» Im Jahr seines Italienaufenthalts begann Zopfi zu schreiben, denn «das Kurzfristige, Punktuelle trieb mich von der Informatik weg. Die Sprache dagegen ist aufbauend, ihre Regeln immer gültig.»
Meilenstein war ihm auch seine Teilzeitanstellung als Entwicklungsingenieur bei Siemens. Die Restarbeitszeit verbrachte er mit Schriftstellern, wurde aber vom Personalchef nie danach gefragt. Statt dessen klopfte nach acht Jahren der Kanton Zürich an, der ihn als Lehrkraft für Computerkurse gewinnen wollte. «Die Schulverantwortlichen haben scheinbar meine gesellschaftskritischen Bücher gelesen», schmunzelt er.
So traf er 1982 Hans-Peter Hauser wieder, den heutigen Rektor der EB Zürich, welchen er bereits Jahre früher beim Klettern kennen gelernt hatte.
Der Kreis schliesst sich. Als Schriftsteller und Bergsteiger ist Emil Zopfi aktiver denn je: Er hat mehrere Buchprojekte am Laufen, organisiert Literaturtage und betreibt leidenschaftlich Sport. Langfristige Pläne schmiedet er hingegen keine, denn er war in den letzten Jahren mehrmals mit schweren Krankheiten konfrontiert: «Da werden grosse Ziele hinfällig. Die nächsten 64 Jahre lasse ich auf mich zukommen».
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