Der Schweizer Marktleader im elektronische Handel mit Lebensmitteln heisst Le-Shop. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: E-Commerce ist ein hartes Pflaster.
Von Margrit Stucki
Das Internet-Shopping bietet einige Vorteile: Kunden müssen ihre Einkäufe nicht mehr zu Öffnungszeiten erledigen, die ihren Arbeitszeiten entgegenstehen, oder auf den übervollen Samstag verschieben. Denn der Online-Shop hat rund um die Uhr geöffnet. Auch das Taschen- und Kistenschleppen sowie die Parkplatzsuche haben ein Ende die Lebensmittel werden nach Hause geliefert. Und schliesslich lassen sich am Bildschirm bequem Detailinformationen abrufen und individuelle Produktengruppen anordnen.
Anbieter, die ihre Waren online vertreiben, müssen keine Läden an teurer Passantenlage zahlen. Sie können die Warenbestellung besser planen und so die Lagerbestände schlank halten.
Angesichts dieser dieser Vorteile erstaunt es, dass im Lebensmittelbereich erst zwei Online-Anbieter auf dem Markt sind, die ein umfangreiches Sortiment führen (rund 3000 Artikel inklusive Frischprodukte, Pflege- und Putzmittel) und die in der ganzen Schweiz ausliefern: www.le-shop.ch und www.migros-shop.ch.
Vorkämpfer Le-Shop
Der elektronische Handel entwickelt sich hierzulande nur zögerlich. Abwarten und schauen, ob Andere damit Geld verdienen: Diese Devise gilt bei den meisten Schweizer Firmen. Der Hauptgrund für die zögerliche Haltung: Der elektronische Handel verlangt effektivere Strukturen und schlankere, computergerstützte Prozesse kurz: tiefgreifende geschäftliche Veränderungen. Und dies ohne Garantie, dass die hohen Investitionen wieder hereingeholt werden können.
Es gehört deshalb schon eine gewisse Portion Mut dazu, einen Online-Supermarkt ohne etablierten Grossverteiler im Rücken aufzubauen. Die Le-Shop-Initiatoren gingen das Risiko ein: Anfangs 1998 eröffneten sie ihren virtuellen Supermarkt und waren damit die Ersten in der Schweiz (und sogar in Europa). Le-Shop-Gründer und Geschäftsleiter Alain Nicod: «Der Lebensmittelmarkt bot uns eine einmalige Chance: Der Einkauf von täglichem Bedarf ist die häufigste Einkaufskategorie, hier besteht ein riesiges Marktvolumen. Die Kunden lassen sich diese langweilige, repetitive Tätigkeit gerne abnehmen zum Beispiel durch einen Online-Service.»
Doch als Le-Shop im April 98 ins Netz ging, musste er gleich wieder schliessen der Webserver war dem grossen Ansturm nicht gewachsen und brach zusammen. Beim zweiten Anlauf klappte es zwar technisch, aber die Initiatoren mussten bald erkennen, dass sie sich zuwenig auf die Zielgruppe konzentriert hatten. Die Kundschaft bestand nämlich nicht aus männlichen Internet-Usern, sondern mehrheitlich aus Frauen. Und diese legten keinerlei Wert auf technische Raffinessen, sondern wünschten sich einen hohen praktischen Nutzen. Fortan fokussierte man als Kundengruppe berufstätige Frauen mit Kindern.
Das One-to-One-Modell
Inzwischen ist die Website einem Redisign unterzogen worden und gilt als vorbildliche E-Commerce-Applikation. Die Konzeptänderung führte zur Einführung von Frischprodukten und zu einer Personifizierung des Angebots. Der fehlende persönliche Kontakt soll durch eine individualisierte Kundenbetreuung, das sogenannte One-to-One-Modell, wettgemacht werden.
Le-Shop verwendet dafür eine Software, die das genaue Eingehen auf die Kundenbedürfnisse erlaubt. Wer sich auf der Website von Le-Shop als Kunde einträgt, wird fortan mit seinem Benutzernamen begrüsst. Stammkunden haben die Möglichkeit, einen «persönlichen» Laden zu betreten, in dem diejenigen Produkte zuerst erscheinen, die sie am meisten kaufen.
Ganz ohne soziale Kontakte geht es dennoch nicht: «Wir haben häufig persönliche Kontakte zu unserer Kundschaft, sei es per Telefon oder E-Mail», erzählt eine Mitarbeiterin des Kundendienstes, «oft werden wir auch über bevorstehende Ereignisse wie Geburten informiert.»
Verärgerte Kunden bleiben weg
Für Le-Shop ist es überlebenswichtig, dass der Seitenaufbau im Web und die Verarbeitung der Bestellungen reibungslos laufen. Verärgerte Kunden kommen nämlich selten wieder. Die Firma setzt deshalb auf eine Software, die jederzeit schnell erweitert und adaptiert werden kann. Technische Probleme, etwa in der Logistik oder bei der Ladegeschwindigkeit, halten die Le-Shop-Leute ständig auf Trab: «Der Teufel steckt im Detail», erklärt Marketingleiter Christian Wanner den grossen Optimierungsaufwand.
Immerhin tragen die Bemühungen Früchte: Die Benutzerführung ist logisch aufgebaut und leicht zu verstehen. Die Produkte sind mit klaren Bildchen und Zusatzinformationen versehen. Der Warenkorb bleibt immer sicht- und überprüfbar, was bösen Überraschungen beim Zahlen vorbeugt. Ein weiteres Detail, das man als Kunde zu schätzen weiss: Wenn ein Artikel nicht lieferbar ist, kann er auch nicht bestellt werden.
Doch allem Komfort zum Trotz wird der Kundin immer wieder bewusst, dass sie die jeweiligen Exemplare nicht selber aussuchen oder gar beschnuppern kann. Einzelne Produkte eignen sich nämlich schlecht zum Verkauf übers Netz so etwa Frischwaren, die leicht verderben oder Produkte, die durch sinnliche Reize wie Duft oder Farbe zum Kauf anregen. «Das ist sicher ein Nachteil beim virtuellen Shopping», gesteht Christian Wanner ein, «andererseits werden bei uns die Waren nicht von etlichen Händen zerdrückt oder von niessenden Personen mit Viren besprüht».
Der weite Weg zum Gewinn
Das One-to-One-Konzept von Le-Shop zeitigt Erfolg: Der monatliche Umsatzzuwachs beträgt laut Geschäftsleitung 20 Prozent. Pro Einkauf gibt eine der rund 4000 Kundinnen heute durchschnittlich 140 Franken aus weit mehr als im herkömmlichen Laden. Beachtlich auch die Kundentreue: 70 bis 80 Prozent des Umsatzes werden durch Stammkunden generiert. Trotz dieser positiven Entwicklung, macht Le-Shop keinen Gewinn, denn die Einnahmen werden sofort reinvestiert. Den «Break even» will Alain Nicod im Jahr 2001 erreichen. Nebst der Erweiterung der Kundschaft in der Schweiz steht auch eine Expansion ins nahe Ausland zur Diskussion.