NEUE LERNFORMEN (Februar 2006)
Im Lernatelier «Video» arbeiten Amateur-Filmschaffende an ihren eigenen Projekten und erweitern so ihr technisches und gestalterisches Know-how. Dabei profitieren sie von der reichen Erfahrung des Kursleiters genauso wie von der Gruppendynamik und der grosszügigen Infrastruktur.
Von Margrit Stucki

Wer am Mittwoch-Abend den Medienraum im BiZE betritt, spürt sofort den Schaffensdrang in der Luft. Hier wird gearbeitet: Die Teilnehmen- den des Video-Ateliers analysieren und tüfteln allein, zu zweit oder in Gruppen. Von der Be- sucherin nehmen sie kaum Notiz, zu vertieft brüten sie über den Bild- und Tonspuren.
Lernen in Gruppen. Das «Atelier» als Lernform eignet sich nicht für jeden. Beispielsweise müssen die Teilnehmenden bereits mit modernen Schnittprogrammen umgehen können, denn Software-Schulungen finden im Lernatelier keine statt. Am meisten profitiert, wer schon gewohnt ist, selbständig zu arbeiten und sich freiwillig einzusetzen: «Für diese Lernform muss man ein eigenständiger Typ sein», bestätigt die 67-jährige Pädagogin Vreni Köppel.
Entsprechend treffen im Atelier Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Naturell aufeinander; vom kauzigen Dokumentarfilmer über die detailversessene Ästhetin bis zum schrägen Exzentriker sind hier allerlei Charaktere vertreten. Ein Lernatelier ist aber keine Spielwiese für individualistische Egomanen: «Um sich hier wohl zu fühlen, muss man altruistisch veranlagt sein», stellt Kursleiter Thomas Geser fest. Das scheint bei den Teilnehmenden eindeutig der Fall zu sein: Alle schätzen die Gemeinschaft mit anderen Lernenden und den gegenseitigen Austausch sehr.
Learning by doing. «Ich komme gerne ins Lernfoyer» verrät etwa Elsbeth Iten, «ich mag die konstruktive Atmosphäre, die mich zu neuen Experimenten anspornt.» Und Dorothea Oechslin doppelt nach: «Ich bin froh, dass ich die andern um Rat fragen kann. Gerne lasse ich mich auch beim Blick auf andere Bildschirme inspirieren.» Oft bilden sich Kleingruppen, die sich regelmässig im Atelier zu vertiefter Projektarbeit treffen.
Die Produktion eines publizierbaren Videos ist ein aufwändiges Unterfangen. Ein Kurs allein kann das Einüben der notwendigen Schnitt- und Gestaltungstechniken nicht abdecken, dazu braucht es zusätzlich viele Anwendungs-Stunden. Zuhause fehlt jedoch oft die geeignete Infrastruktur fürs professionelle Umsetzen. Deshalb werden die Computer im Lernfoyer und das Lernangebot im Atelier intensiv und dankbar genutzt. Die lockere Ambience und die grosszügigen Räume fördern die Experimentierfreude zusätzlich. «Im Atelier lerne ich mehr als in einem Kurs», sagt Naser Limani, der in seiner Freizeit oft an albanischen Festen filmt. «Ich profitiere von der Hilfsbereitschaft des Leiters und der Infrastruktur, die immer auf dem neusten Stand ist eine solche Ausrüstung kann ich mir privat nicht leisten.» Im Video-Atelier habe er bei der praktischen Arbeit selber viel Neues herausfinden können; ein willkommener Effekt des Ateliers als Lernmethode, denn was man selber entdeckt, bleibt besser im Gedächtnis.
Der Allrounder. Kursleiter Thomas Geser ist ein gefragter Mann. Jeder möchte den erfahrenen Fachmann möglichst lange für sich in Anspruch nehmen: «Thomas ist genial», schwärmt etwa Regula Bachmann, «er kann jede Frage beantworten, jedes Problem lösen. Seine Hilfsbereitschaft hat mich motiviert, dran zu bleiben.» Was für die Teilnehmenden gilt, gilt erst recht für die Leitenden: Nicht alle haben das Zeug, ein Atelier zu führen. «Als Atelier-Leiter musst du wahnsinnig viel wissen. Das Computerwesen ist dermassen komplex und kurzlebig, da musst du dich zwangsläufig zum Allrounder entwickeln», beschreibt Thomas Geser eine der Anforderungen. Hinzu kommen Geduld, Einfühlungsvermögen und Flexibilität. «Qualitäten, die sich mit zunehmendem Alter fast automatisch einstellen», schmunzelt der Mittfünfziger.
Die Atelier-Besucher wissen die sozialen Kompetenzen ihres Coachs zu schätzen. Als ein Teilnehmer wegen technischer Probleme die Nerven verliert und die Maschinen zu trak- tieren droht, bleibt Geser die Ruhe selbst und ermahnt ihn. In aller Gelassenheit widmet er sich kurz darauf dem nächsten Rat Suchenden und passt seine Tipps dem jeweiligen Lerntempo und Kenntnisstand an.
Lernform der Zukunft. Die didaktische Idee hinter dem Lernatelier ist nicht neu, aber brandaktuell für die moderne Erwachsenenbildung: Hier wird Bildung nicht konsumiert, sondern erlebt. «Das Lernatelier finde ich mit Abstand die beste Lernform, da ich Lösungen am eigenen Projekt umsetzen kann», sagt Peter Kunz. Der 52-jährige Künstler, der nach 40 Jahren Fotografie aufs Filmen umgestiegen ist, hat bereits drei Video-Kurse besucht. Neben dem direkten Praxisbezug erweist sich auch das selbstverantwortliche Lernen in der Gemeinschaft als besonders erwachsenengerecht. Ferdi Köppel: «Am Lernatelier schätze ich neben den guten Geräten vor allem die Leute, die ich schon vom Final-Cut-Kurs kenne. Tauchen Fragen auf, kann mir immer jemand weiterhelfen.» Der pensionierte Verwaltungsangestellte ist seit drei Jahren passionierter Videofilmer: «Ich nehme alles auf, was mir vor die Linse kommt vor allem im Zoo und an Volksfesten.»
Die Bewegungstherapeutin Regula Bachmann weiss aus Erfahrung, wie wichtig der Praxisbezug sein kann, um Zusammenhänge zu begreifen: «Ich setze vermehrt Videofilme bei meiner Arbeit ein. Dadurch, dass die Eltern ihre Kinder in Aktion sehen, verstehen sie meine Analysen und therapeutischen Massnahmen besser.» Etwas haben Videos und Lernateliers also gemeinsam: Beide bieten modernen Anschauungsunterricht.
|