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Journalismus-Ausbildung (August 2007)
Wenn, dann bitte richtig!
Im Lehrgang «Journalismus für Quereinsteigende» erfahren Schreibende über drei Semester hinweg, wie facetten- und anforderungsreich die journalistische Arbeit sein kann. Dazu gehört auch die Rechtschreibung.
Von Margrit Stucki

Verhaltene Spannung im Zimmer 315 im BiZE: Am siebten Kurstag des Lehrgangs steht Rechtschreibung auf dem Programm. Ein Thema, das in der Regel keine Begeisterungs- schübe auslöst. Auch nicht bei den elf Teilnehmenden des laufenden Lehrgangs, welche heute die Schulbank drücken und zugleich einen nahen Abgabetermin für eine Schreib- aufgabe im Rücken haben. Doch bald lockert sich die Stimmung, echtes Interesse an den Besonderheiten der Schriftsprache stellt sich ein.
Nebenberuf. Gemeinsam ist den Kursteilnehmenden, dass sie leidenschaftlich gerne schreiben und zu mindestens 20 Prozent als Journalistinnen oder als Journalisten arbeiten - bei einem Lokalmedium, einer Hauszeitung oder einer Fachpublikation. Mit der redaktionellen Tätigkeit betreten sie Neuland. Erklärtes Ziel ist es, im journalistischen Schreiben sicherer zu werden. Der 43-jährige Peter Rettinghausen zum Beispiel arbeitet seit vielen Jahren als Creative Director und Texter in einer renommierten Werbeagentur. Nun beabsichtigt er, sein berufliches Repertoire zu erweitern: «Ich möchte in Zukunft auch mal andere Dinge schreiben als Werbetexte; den Journalismus als zweites Standbein aufbauen. Deshalb habe ich mich für diesen Lehrgang entschieden.»
Neue Wege beschreiten. Ähnlich geht es dem 30-jährigen Tobias Gisler, der vor fünf Jahren die höhere Fachschule für Tourismus abgeschlossen hat: «Es ist höchste Zeit, dass ich meine momentane Tätigkeit in der Reisebranche schreibend ergänze.» Auch die Psychologin Monika Egli-Schärer (54) stand vor dem Eintritt in den Lehrgang an einem Wendepunkt: Von der jahrelangen Tätigkeit als Psychotherapeutin erschöpft, reduzierte sie vor einem Jahr ihr Pensum. Sie musste regenerieren, suchte eine andere Betätigung und fand eine Teilzeitstelle als Redaktorin bei der Zeitschrift «Schritte ins Offene», welche schwerpunktmässig Themen der Frauenemanzipation aufgreift. «Nun finde ich mich im neuen Feld des Journalismus wieder», erzählt Monika Egli, «und pendle zwischen der Freude über diese Chance und der bekannten Angst vor dem leeren Blatt.»
Frisch gefordert. Im journalistischen Schreiben sattelfest zu werden, ist nicht das einzige Motiv für diese Weiterbildung. Sarah Orlando-Moser, Familienfrau, Caritas-Mitarbeiterin und Weblog-Kolumnistin, hat zum Beispiel das Schreiben als ihren «Schlüssel zum Glück» entdeckt: «Ich freue mich darauf, das Leben - Drama und Komödie zugleich - in Worte zu fassen. Tonalitäten zu komponieren, deren Noten Buchstaben heissen. Gedachtes und Unausgesprochenes niederzuschreiben.» Und Elisabeth Werner, die im «normalen» Berufsleben Beschwerdebriefe und Kunden-Mails beim Schweizer Fernsehen beantwortet, hat sich schon länger nach einer neuen Herausforderung umgeschaut: «Ich habe immer gesagt, ich reisse wieder etwas an. Jetzt habe ich es gefunden.»
Deutsche Sprache, schwere Sprache. Bei aller Liebe fürs Schreiben kommen die Teilnehmenden nicht umhin, sprachliche Knochenarbeit zu leisten. Etwa indem sie sich mit den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung vertraut machen. Wie man die trockene Materie leichter verdauen kann, zeigt der Kursleiter Fritz Keller gleich selbst: Er steigt mit der «Ballade von der Orthografie» ins Thema ein, einem amüsanten Text von Franz Hohler, in dem eine Schreibmaschine alle Verursacher von Fehlern gleich aufschluckt. Die Ballade endet mit den Zeilen «Kauft einen Duden, seid auf der Hut! | Prüft jeden Strichpunkt, achtet euch gut! | Passt auf, was ihr schreibt, ... | es braucht nur ein Fehler, und - aaaaah!» Die Teilnehmenden sind sich einig. Gefressen wird niemand, der den richtigen Fall nicht trifft oder ein Wort falsch schreibt, aber die Orthografie hat einen hohen Stellenwert, ist sie doch die berühmte Visitenkarte der schreibenden Zunft.
Rechtschreibung als Norm. Eine kurze Chronik zeigt, dass die richtige Schreibung von Wörtern und Sätzen schon immer heftig diskutiert wurde. Die neuste Rechtschreibreform ist nur das letzte Glied in einer langen Kette. Der Test «Welche Schreibweisen sind richtig?» soll den Teilnehmenden zeigen, welche Änderungen sie kennen oder schon verinnerlicht haben. Sofort zeigt sich, dass auch geübte Schreiberlinge zweifeln und das Nachschlagen in einem Wörterbuch (Duden oder Wahrig) unabdingbar ist. So beherzigen die Lernenden die drei Faustregeln «Im Zweifelsfall grossschreiben, getrennt schreiben, tolerant bleiben». Während der Übungen merken sie erleichtert, dass sie nichts falsch machten, als sie «Mayonnaise» statt «Majonäse» und «instand setzen» statt «in Stand setzen» schrieben.
Mit Druck umgehen. Trotz der angenehmen Lernatmosphäre wirken einzelne Teilnehmende gestresst. Der Abgabetermin für den Bericht steht an, worauf Lehrgangsleiter Nikolaus Stähelin mit Nachdruck hinweist. Aufschiebewünsche, auch vehement begründete, werden nicht akzeptiert. Wie in einer richtigen Redaktion eben. - Das Lehrgangskonzept sieht vor, dass sich die Teilnehmenden alle journalistischen Fertigkeiten in Theorie und Praxis aneignen. Kein Wunder, legt jeder der 18 Fachdozenten grossen Wert auf die praktische Umsetzung in Form von Hausaufgaben, was nicht in jedem Fall gut ankommt. Wer die praktischen Arbeiten streng einfordert, muss sich schon mal den Vorwurf der Schulmeisterlichkeit gefallen lassen. Die Aufregung legt sich jedoch meist, sobald die fertigen Arbeiten auf der Schulplattform publiziert sind. Spätestens dann weicht die Anspannung dem Stolz auf das Geleistete.
Anstrengend, aber lohnend. Im Ganzen sind die Lernenden sehr zufrieden mit der Art, wie der umfangreiche Lernstoff vermittelt wird. Im Einklang mit ihren Kurskollegen freut sich Monika Egli: «In diesem Lehrgang gibt's total viel zu lernen. Hier erfahre ich Erwachsenenbildung, die vielfältigen Stoff bietet und zugleich einiges fordert. Auch wenn's anstrengend ist: Diese Weiterbildungsart ist mir lieber als die ständigen Befindlichkeitsrunden an anderen Schulen.»
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