In den grossen Schweizer Städten beginnt sich ein neuer Ausgehtrend zu etablieren: Das After-Work-Clubbing an Werktagen. Die Party beginnt, wenn der Job aufhört.
Von Margrit Stucki
Die Idee schweizerisch verhalten
Volle Läden in Köln Aufwärmzeit in Zürich
Die Stimmung steigt
Sound Look
Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen aber alles bitte sofort. Das Motto der modernen Arbeitnehmerschaft bringt ein altbekanntes Dilemma zum Vorschein: An den Wochenenden toben in den Clubs die Massen, zum entspannten Abtanzen ist es deshalb meist zu voll. Bleiben also noch die Nächte zwischen Montag und Donnerstag. Werktags auszugehen hat jedoch die obligaten Augenringe zur Folge. Und die queren Blicke von Chefs oder Kunden.
Die Idee
Ein Club, der um 22 Uhr seine Türen öffnet, ist früh dran. Üblich ist das Aufschliessen der heiligen Pforten gegen 23 Uhr, doch auf der Tanzfläche ist vor Mitternacht meist mehr Fläche als Tanz vorhanden. Bei diesem Rhythmus findet man logischerweise erst im Morgengrauen ins Bett. In Metropolen wie New York und London gibt es seit langem Abhilfe gegen diesen Feierfrust: Dort trifft sich die Ausgeh-Gilde kurz nach Arbeitsschluss in Clubs, um den wertvollen Abend nicht vor der Glotze zu vergeuden. Auch Schweizer In-Städte schwimmen seit kurzem auf der Welle der Afterwork-Parties mit. Das Konzept ist einfach: Ausgehen ab 18 Uhr, tanzen, trinken und talken mit Arbeitskollegen, Geschäftsfreunden und sonstigen Bekannten und die Chance, am nächsten Morgen wieder fit in den Job zu starten, da der Spass vor Mitternacht aufhört.
Vorerst schweizerisch verhalten
Ein Mittwochabend im winterlich-regnerischen Zürich. Die ersten Gäste treffen im angesagten Club Zoo kurz nach sechs ein. Noch sind es wenige Besucher, doch Sacha Goldstein, der umtriebige Gastgeber, empfängt sie alle herzlich geschäftig die schicken Anzugträger genauso wie die Casual-Gewandeten. Im «Zoo» finden seit November 2000 jeden Mittwochabend Afterwork-Parties statt. Zu Vocal, Pumping und Groovy House kann man getrost die Krawatte ablegen und mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen den Feier-Abend geniessen. In beschwingter Stimmung lässt sichs bekanntlich besser über Gehaltserhöhungen, Jahresabschlüsse und Unternehmensziele sprechen. Sacha Goldstein: «Es kommen jedesmal mehr Leute. Aber bei uns in der Schweiz braucht es viel Zeit, bis die Leute etwas annehmen und nutzen. Doch ich bin zuversichtlich: die Sache gedeiht langsam aber stetig.» nach oben
Volle Läden in Köln
Ganz anders in Deutschland, wo die Welle der Afterwork-Parties schon Anfang letzten Jahres über den Atlantik schwappte. Im Kölner Club «Tiefenrausch» etwa bitten die Massen jeden Donnerstag schon ab 18 Uhr um Einlass. Erst mal drin, fühlt sich die Besucherschaft wie in einer Samstagnacht: Animationstänzerinnen und ein reichhaltiges Tapas-Buffet verführen die entkräftete Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerschaft zu überschwänglichem Genuss. Zu frischen Kräften gekommen, flirtet die Feierabend-Gemeinde erstmal um die Wette. «Ich gehe regelmässig ins Tiefenrausch. Die Atmosphäre gefällt mir, da es unkompliziert zu und her geht. Die Kontaktfreude der Kölnerinnen lässt sich nicht mit jener der Zürcherinnen vergleichen. Erst mal spendiere ich meiner Auserwählten einen Cocktail, um anschliessend mit ihr zu tanzen. Danach ist das Abenteuer sozusagen gebongt», verrät Andreas Züllig, 33, als Maschinenoffizier auf einem Schweizer Kreuzfahrtschiff auf dem Rhein tätig.
Aufwärmzeit im Zoo
Im Zoo ist um 20 Uhr noch wenig los. Doch die zwei Ladies an der Bar fühlen sich sichtlich im Element: «Das Gute daran ist, dass man spätestens um zwölf nach Hause kommt, weil sich nach elf auch die Letzten verabschieden», sagt eine der zwei Besucherinnen, «so komme ich morgens wenigstens problemlos aus dem Bett.»
Eine Clique edel gekleideter Damen und Herren erscheint gegen neun im Lokal. Fantasievolle farbige Drinks werden serviert. Den Sprachfetzen zu entnehmen, gehören die Fünf zur gleichen Firma, einem Optiker-Grosshandel in Zürich. «Die Institution Afterwork-Party gefällt uns sehr gut, da wir in der Nähe arbeiten und zusammen den Abend verbringen können. Untertag haben wir selten Zeit einander näher kennen zu lernen. Hier funktioniert das optimal», so Nicole Iseli, 28-jährige Abteilungsleiterin im besagten Optikergeschäft.nach oben
Die Stimmung steigt
In der Zwischenzeit flitzt Sacha Goldstein emsig im Clublokal umher, bestrebt, seine Gäste mit Snacks und Früchten zu verwöhnen. Den Besuchern behagts. Karsten und Jan aus Kopenhagen, zwei Jungunternehmer, die in Zürich ihr neuentwickeltes Produkt unter die Leute bringen wollen, sind allerdings Nüssen und Trauben weniger zugeneigt als dem dänischen Bier. Sichtlich in Partystimmung versuchen sie ihre Power auch dem hiesigen Publikum zu vermitteln. Schwungvoll reissen sie ihre Schlipse vom Hals und werfen sie zwei jungen Damen zu. Frühabends war es für den Super-Filou Karsten noch unmöglich, eine der zwei Zürcherinnen kennen zu lernen diese haben sich wie siamesische Zwillinge abgekapselt. Doch nun tut der Alkohol seine Arbeit. Sprach- wie Sozialgrenzen verschwinden und die zwei Paare kommen sich immer näher.
Nach neun mixt der Barkeeper die Longdrinks beinahe im Akkord. Dazu trägt auch der smarte Anzugträger bei, welcher sich und die Blonde im kleinen Schwarzen reichlich mit Caipirinhas versorgt. Das aufwändige Styling tut der Stimmung nichts ab. Im Gegenteil: Die lockere Zusammensetzung der Gäste unterschiedlichster Couleur sorgt für willkommene Abwechslung im Club-Dschungel. «Wenn sich die gute Stimmung sowie die moderaten Preise für Getränke (Bier Fr. 5.50, Cocktails Fr. 12.--) erstmal rumgesprochen haben, dürfte es in Zukunft auch hier proppenvoll werden», frohlockt Sacha Goldstein. nach oben
House-Sound lockt zum Tanz
Um 21.30 Uhr ist DJ-Wechsel und Plattenaufleger King Ben legt sich ins Zeug. Pumpender House soll zum Tanzen aktivieren. Dazu wird die Lautstärke nach oben gedreht und nun unterscheidet sich wirklich nichts mehr von einer Samstagnacht-Disco.
Um elf ist dann Schluss mit feiern, doch der Zoo macht gleich weiter mit seinem Nachtprogramm bis in die frühen Morgenstunden. Und wer von den Afterwork-Feiernden jetzt nicht den Absprung von alleine schafft, dem stehe wer auch immer bei. Es ist kein zusätzliches Eintrittsgeld zu berappen. Wer will oder besser: wer es verantworten kann, bleibt einfach.
Der passende Look
Mit den Ausgehzeiten verschiebt sich auch die Frage aller Fragen: Welches ist der ideale Dress? Weil der direkte Wechsel vom Büro zum Club keine Umziehpause zu Hause erlaubt, will das Abend-Outfit bereits früh geplant und eingepackt sein. Viele Männer favorisieren die Minimallösung: Sie bleiben beim Business-Anzug und entledigen sich an der Afterwork-Party lediglich ihrer Krawatte; wenn es hoch kommt, hängt das Hemd über der Bundfaltenhose. Weibliche Party-Profis setzen am liebsten mit kleinen Glamour- Teilen Akzente. Oberstes Prinzip: geringes Gewicht und Transportfähigkeit. In die schicke Rossi-Henkeltasche passen problemlos ein Paar Satin-High-Heels, ein funkelndes Pailletten-Täschchen und/oder ein Glitzer-Top. Diese Accessoires beanspruchen wenig Platz und verleihen in Minutenschnelle jedem Hosenanzug, jeder Jupe-Blusen- Kombination den Abendtouch.
|